Excellence-Strategie der

Berliner Secession


von Ingobert Schmid

Inhalt

Strategie zur Stärkung der Excellence der Berliner Secession


Max Liebermann hatte den Vorsatz, die Berliner Secession zu einer „elitären“ Künstlervereinigung, wie er es ausdrückte, zu entwickeln. Das mit der Gründung Erreichte konnte dafür nur die Ausgangsbasis sein. Sein Credo hieß „Elite“! „Elitäre“ Künstler! „Elitäre“ Secession. Für seinen Begriff der „Elite“ bedurfte es die Mitgliedschaft herausragender Künstler in der Berliner Secession. Und mit jedem zweiten Wort suchte er nach „Talenten“. „Talent“ bedeutet eine angeborene, überdurch-schnittliche Begabung. Zugleich bedeutete es, dass es auf dem entsprechenden Gebiet nur wenige mit diesem „Talent“ gibt. „Elite“ und „Talente“ konnte somit nur eine Minderheit innehaben. Mit beiden Begriffen wurde das Niveau der erforderlichen Qualifikation definiert, beide Begriffe kennzeichnen auch eine Distanzierung vom Gewöhnlichen. Um diese ideale Vorstellung mit der Berliner Secession zu erreichen, sah Liebermann die Notwendigkeit, die künstlerische Qualifikation des Kaders seiner Künstler zu stärken. Wohl waren unter den Grünudungsmitgliedern der Berliner Secession auch ausgezeichnete Künstler (neben Liebermann u. a. auch die Worpsweder Maler), aber diese waren nicht genug, um einen „Elite“-Verein wie Liebermann ihn sich vorstellte, zu prägen und wirkungsvoll zu repräsentieren. 

 

Rückblickend kann man vermuten, dass Liebermann eine wohldurchdachte Strategie entwickelt hatte, um dieses hohe Ziel zu erreichen, denn wie er dieses Vorhaben anging, kann nur als „generalstabsmäßig“ bezeichnet werden. Ausgehend von dem Gedanken des „ROTARY- Prinzips“, dass die „Elite“ gerne mit der „Elite“ verkehrt, also der „elitäre“ Künstler die Freundschaft mit dem „elitären“ Künstler sucht, mussten – um die Secession für weitere herausragende Künstler attraktiv zu machen - zuerst die Allerbesten aus Deutschland gewonnen werden.

Für Liebermann waren dies Lovis Corinth und Max Slevogt, die er von München her gut kannte, und die er für die besten deutschen Impressionisten hielt, natürlich neben sich selbst. Corinth hat darüber berichtet, dass Liebermann extra Walter Leistikow zu ihm nach München geschickt hatte, um ihn zu „überreden“, nach Berlin zu kommen.  Auch Wilhelm Trübner gehörte zu Liebermanns Favoriten. Kurz nach der Jahrhundertwende kam es dann wie gewünscht. 1901 zogen Lovis Corinth und ebenso Wilhelm Trübner nach Berlin, kurz darauf gefolgt von Max Slevogt und dessen Freund, der aus Stuttgart stammenden Robert Breyer. Der Ortswechsel dieser Künstler von München nach Berlin veränderte die deutsche Kunstlandschaft nachhaltig. Berlin wurde nun endgültig Kunst-hauptstadt und übernahm die Führung der sezessionistischen Bewegung in Deutschland.


Das Erreichte genügte Liebermann aber nicht. Wilhelm Busch hätte dazu gesagt: „Dieses war der erste Streich, doch der Zweite folgt sogleich!“ Das Problem war, dass aus Berlin nicht mehr, als bereits erfolgt, zu holen war. Mit dem zweiten Schritt ging es nicht darum, die Zahl der Mitglieder zu erhöhen. Wichtig war das künstlerische Niveau der Berliner Secession zu stärken. Künstler von Rang und Namen mussten gefunden werden. Bei den gesuchten Künstlern konnten nur führende Künstler in Betracht kommen, die ihren Wohnsitz und Wirkungsbereich in einer der anderen über Deutschland verstreuten Kunststätten hatten. Im Normalfall gehörten Künstler dieser Klasse bereits einem lokalen oder provinzialen Künstlerverein an. Abwerbung konnte nicht in Betracht kommen. Angestrebt wurde gute Zusammenarbeit. Unruhen und Ärgernisse sollten vermieden werden.

Liebermann fand die Lösung darin, die Kategorie „Außerordentliches (Correspondierendes) Mitglied“ für „auswärtige“ Künstler vorzusehen. Eine solche Mitgliedschaft bei der Berliner Secession sollte parallel zur Mitgliedschaft im Heimatverein des Künstlers möglich sein, ggf. als Doppelmitglied-schaft, wie Liebermann selbst eine solche in München und in Berlin bereits führte.


Außerordentliche Mitglieder

Der Status „Außerordentliches Mitglied“ konnte nur durch Berufung durch den Vorstand der Berliner Secession erlangt werden. Eine vom Aspiranten selbst ausgehende Bewerbung war ausgeschlossen. Voraussetzung für die Berufung war eine herausragende künstlerische Qualifikation. Somit konnten nur bereits arrivierte Künstler in Betracht kommen. Jedes ernannte „Außerordentliche Mitglied“ sollte - in persona - zur „Elite“ gehören, die „Elite“ der Secession prägen und stärken, - in summa - einen Beitrag zum Renommee der Secession leisten. 

Es lag in den Händen des Vorstands und in dessen Ermessen, die Qualifizierung festzustellen und ggf. die Berufung vorzunehmen. Für den Ernannten war die Berufung zum „Außerordentlichen Mitglied“ der Berliner Secession eine Ehrung und Würdigung seiner künstlerischen Fähigkeiten und Leistungen.

Seine Qualifikation musste zumindest der eines  „Ordentlichen Mitglieds“, zu der eine strenge Prüfung genügte, entsprechen.  Je strenger die Anforderungen an die Mitglieder waren, je konsequenter sie gehandhabt wurden, und je höher hierdurch der Rang der einzelnen Mitglieder und mithin auch das künstlerische Niveau der Künstlervereinigung war,  umso mehr Anreiz war gegeben, dazu gehören zu wollen. Diese Auffassung teilten die herausragenden Künstler. Die Mittelmäßigen empfanden dies als Snobismus, tatsächlich war es war eine gewünschte Barriere.

 (Genauere Kriterien zur Beurteilung des Grades der „Elite“ - sind nicht bekannt. Man darf davon ausgehen, dass die Berliner Secession unter Liebermann als dem gewählten Präsidenten der Secession nur Künstler aufgenommen hat, von denen sowohl er als Präsident als auch seine Vorstandskollegen überzeugt gewesen sind.

Nachdem im Vereinsrecht nach BGB keine speziellen Rechte und Pflichten von „Außerordentlichen Mitgliedern“ vorgegeben sind, sollten in den Statuten des Vereins entsprechende Regelungen getroffen worden sein. Diesbezügliche Dokumente waren dem Autor nicht erhältlich.)

 

Mit dem dritten Schritt wurden Künstler mit herausragender Qualifikation aus dem Ausland angeworben, wobei wohl die allgemeine Anerkennung das maßgebliche Kriterium gewesen sein wird. Die Aufnahme ausländischer Künstler als Mitglieder war bisher bei Künstlervereinigungen ungewöhnlich. Die ausländischen Mitglieder wurden ebenfalls als „Außerordentliche Mitglieder“ geführt, allerdings mit Absichten, die sich von denen für deutsche „Außerordentliche (Correspondierenden) Mitglieder“ unterschieden. Von den ausländischen Mitgliedern konnte man nicht erwarten, dass sie sich an der später beschriebenen Vernetzung der Künstlervereinigungen beteiligten. Hier lag das Augenmerk auf deren Beitrag zu den Kunstausstellungen.

 

Die rechtliche Stellung der „Außerordentlichen Correspondierenden Mitglieder“ unterschied sich von der der „Ordentlichen Mitgliedern“ hauptsächlich darin, dass die Ersteren in der Mitglieder-versammlung kein Stimmrecht hatten. In künstlerischer Hinsicht waren sie sicherlich zumindest gleichrangig mit den „Ordentlichen Mitgliedern“, in Wirklichkeit meist sogar eher von höherer Qualifikation, zumal ihre Zugehörigkeit durch eine individuelle Auswahl nach strengen Kriterien getroffen, durch Wahl entschieden und durch Berufung durch den Vorstand vollzogen wurde.

Im Regelfall verlief die Anwerbung scheinbar so, dass ein Künstler, der als „Außerordentliches Mitglied“ vorgeschlagen worden war, zunächst zur Beteiligung an einer Kunstaustellung eingeladen worden ist. Hinterließ dieser aufgrund seiner Kunst einen positiven Eindruck, wurde ihm die außerordentliche Mitgliedschaft angetragen. 


Mit den Berufenen erweiterte sich der Kader an Mitgliedern erster Güte und zugleich die Qualität der Exponate, die von diesen zu den Kunstausstellungen der Berliner Secession eingeliefert wurden. Mit den Exponaten der deutschen „Außerordentlichen Mitglieder“ boten die Ausstellungen die Möglichkeit eines Überblicks über das aktuelle Kunstschaffen in ganz Deutschland. Mit den Werken der ausländischen Künstler wurden die Strömungen der Kunst im Ausland eingebracht. Dies gab für die Künstler die Möglichkeit des Vergleichs, einen Anlass zur Erörterung und Anregungen für das eigene Schaffen.

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Mitglieder-Statistik und die Bedeutung der "Außerordentlichen Mitglieder"


Im Balkendiagramm unten wird die Gesamt-Mitgliederzahl aufgeteilt nach Ehrenmitglieder - Ordentliche Mitglieder - Außerordentliche Mitglieder - dargestellt. Man ersieht daraus zunächst, dass sich die gesamte Mitgliederschaft von 65 bei der Gründung im Jahr 1899 bis auf ungefähr 225 im Jahr 1913 erhöht hat. Naturgemäß ändert sich die Zahl der Mitglieder von Jahr zu Jahr, wobei die Anteile der unterschiedlichen Mitglieder-Kategorien an der Gesamtmitgliederzahl annähernd gleich geblieben sind.

Die "Ordentlichen Mitglieder" mitsamt den Ehrenmitgliedern und die "Außerordentlichen Mitglieder" stellten jeweils in etwa 50% der Gesamtmitglieder. Die "Außerordentlichen Mitgliedern" waren ungefähr hälftig aus Deutschland und dem Ausland (siehe Diagramm).

An der Gesamtmitgliederzahl hatten somit die deutschen „Außerordentlichen Mitglieder“ einen Anteil von etwa einem Viertel, von dem gut zwei Drittel allein auf süddeutsche Künstler waren. Nur weniger als ein Drittel der deutschen „Außerordentlichen Mitglieder“ entfielen auf alle anderen Kunststätten in Deutschland. Auffällig ist allerdings, dass abgesehen von München lediglich die absolut führenden Künstler der Kunststätten zum „Außerordentlichen Mitglied“ berufen wurden. Im Unterschied dazu scheint man mit Kollegen aus München großzügiger verfahren zu haben. Selbst wenn man auch für die Münchner Künstler den strengeren Maßstab anlegt, stellte Süddeutschland - unter Anrechnung von München, Karlsruhe und Stuttgart - immer noch mit Abstand den größten Anteil der deutschen „Außerordentlichen Mitglieder“. Dies zeigt den hohen Stellenwert, den Süddeutsche Künstler zu dieser Zeit eingenommen haben.

 

Es hat sich so eingeschlichen, dass in der Literatur meistens nur die  „Ordentlichen Mitglieder“ und die „Ehrenmitglieder“ als Mitglieder der Berliner Secession genannt werden, manchmal auch nur eine Auswahl davon. Die „Außerordentlichen Mitglieder“ wurden übergangen. Dies könnte den Eindruck erwecken, dass es sich bei den „Außerordentlichen Mitgliedern“ um unbedeutende Künstler handelte, deren Mitwirken im Kunstgeschehen nicht der Rede wert wäre. Nun kommt aber zutage, dass es sich gerade bei den „Außerordentlichen Mitgliedern“ um ausgewählte, herausragende Künstler gehandelt hat, auf die Max Liebermann hohe Erwartungen setzte: Auswärtig wohnhafte, führende deutsche Künstler und ausländische Künstler der Extra-Klasse mit berühmten Namen. Diese Mitglieder, die anteilsmäßig gut die Hälfte der gesamten Mitgliederschaft der Berliner Secession ausgemacht haben, die innovative Funktionen (z. B. die Vernetzung der deutschen Kunstlandschaft) bewirkten, die Kunstausstellungen mit ihren Exponaten bereicherten und die – wenn dabei die französischen Impressionisten mit ins Blickfeld genommen werden – dazu beitrugen, die Veranstaltungen auf internationales Niveau zu heben, wenn gerade diese ungenannt bleiben, ist eine solche Nachlässigkeit nicht angebracht. Wenn man sich vor Augen hält, dass in der kleinen Künstlergemeinschaft der Berliner Secession mit insgesamt nur etwa 200 Mitgliedern die Namen wie Edgar Degas, Claude Monet, Camille Pissarro, Paul Signac, Felix Valloton, Edvard Munch oder Ferdinand Hodler in der Liste der „Außerordentlichen Mitglieder“ stehen, wird man sich gewahr, was es bedeutete, „Außerordentliches Mitglied“ der Berliner Secession gewesen zu sein.

Die deutschen auswärtigen Mitglieder bringen der Berliner Secession natürlich nur in sehr viel bescheidenerem Maße Ansehen als die berühmten ausländischen Künstler, wenngleich beide als „Außerordentliche Mitglieder“ der Secession angehört haben. Mit ihrer Berufung wurde jedoch immerhin ein hoher Rang der Wertschätzung  bezeugt.   

 

Von der falschen Einschätzung der „Außerordentlichen Mitglieder“ sind nicht nur die Künstler – die deutschen wie die ausländischen – betroffen, sondern auch die Secession als Institution, deren Renommée auch wesentlich durch die „Außerordentlichen Mitglieder“ gefestigt wurde. Was allen Beteiligten eigentlich zum Vorteil gebührte, wird ihnen dadurch versagt. Diese nicht zutreffende Einschätzung ist hier zu korrigieren. Die künstlerische Einstufung der „Außerordentlichen Mitglieder“ ist mindestens als gleich zu erachten wie die der „Ordentlichen Mitglieder“.

Die Beziehung des Mitglieds zur Secession, alles was es dort miterlebt und mitgestaltet hat, die Begegnungen, die es mit Künstlern der Weltelite hatte, die Rezensionen in der Presse, die ihm Freud oder Ärger bereitet haben, die Erfolge, die sich in Auszeichnungen spiegelten und was es selbst noch alles erlebt und geleistet hat, ist Teil seines Künstlerlebens, ebenso wie jedes Mitglied zur Geschichte des Vereins gehört. An allem was der Künstler miterlebt und mitgestaltet hat, besitzt dieser stillen Anteil. Und für die Geschichte der Berliner Secession wird jedes Mitglied zu einem Baustein.


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Vernetzung der deutschen Kunstlandschaft durch "Außerordentliche Mitglieder" mit Doppelmitgliedschaften


Indem die auswärtig wohnhaften „Außerordentlichen Mitglieder“ der Berliner Secession zugleich eine Mitgliedschaft bei ihrem Heimatverein weiterführten und somit eine „Doppelmitgliedschaft“ wahrgenommen haben, entstanden „correspondierende“ Verbindungen jeweils zwischen zwei Künstlervereinigungen. Die Kommunikation erfolgte damals hauptsächlich durch Correspondenz, d.h. schriftlich – anfangs oft noch handschriftlich. Im Gesamten konnte durch mehrere derartige Verbindungen eine “Vernetzung“ der deutschen Kunstlandschaft entstehen. Das „Außerordentliche Mitglied“ konnte damit eine zusätzliche Funktion erfüllen.

Die „Außerordentlichen Mitglieder“ sind als „Correspondierende Mitglieder“ bezeichnet worden – wohlverstanden als Korrespondent zwischen der Berliner Secession und ihrem Heimatverein. Nach beiden Seiten hin in Kenntnis der Umstände, der Anliegen und Ziele, konnten sie die Mission eines „Botschafters“ erfüllen. Dieses Verbundsystem scheint sich mehr oder weniger unbewusst entwickelt zu haben. Jedenfalls lag dieses auf der Linie des Grundgedankens einer von Hans Rosenhagen bereits 1892 gemachten Empfehlung einer gesamtdeutschen Sezession, die später (1903) mit der Gründung des Deutschen Künstlerbundes offiziell realisiert wurde.   

Die Vernetzung der deutschen Kunstszene ist ein bislang nicht gewürdigter Verdienst der Berliner Secession, der in der Kunstliteratur keine Beachtung gefunden hat. Offenbar ist die Tragweite der Auswirkungen für die Bedeutung der Berliner Secession noch nicht in voller Breite wahrgenommen worden. Ein Grund dafür dürfte gewesen sein, dass die „Außerordentlichen Mitglieder“, die Elemente der Vernetzung, als so nebensächlich eingeschätzt wurden, dass sie keinerlei Erwähnung in der Literatur bedurften.

Mit der Unterschlagung der „Außerordentlichen Mitglieder“ der Berliner Secession wurde deren Namen und  Funktion vergessen, und damit sind die von Liebermann und Co. gestrickten Verbindungen mit der Spaltung der (alten) Secession 1913 und der darauf folgenden Kriegszeit in Vergessenheit geraten. Damit gerieten auch vielfach die Beiträge zur Kunst aus deutschen Provinzen und die Namen damals führender Künstler in den Hintergrund.

Wenngleich nicht nachgewiesen ist, dass bei der Installation des  Mitgliederstatus „Außerordentlicher Mitglieder“ soweit gedacht worden ist, dass dies der Vernetzung der deutschen Kunstlandschaft zugute käme, war die Auswirkung der intensivierten Kommunikation sicherlich im Interesse der Initiatoren.

Das dominierende Medium der Verbindungen war damals der Schriftverkehr, der zu Anfang des Jahrhunderts noch weitgehend handschriftlich getätigt wurde. Bisweilen werden schriftliche Zeugnisse der damaligen Korrespondenz unter den Künstlern in Künstlernachlässen entdeckt, die aufschlussreich sind und authentisch Licht in das Geschehene werfen. Eine Vorstellung von der damaligen Art der Vernetzung gibt der umfangreiche Schriftverkehr, den seinerzeit Alfred Lichtwark mit zahlreichen Künstlern, Museumsdirektoren, Kunsthistorikern und Kritikern geführt hatte, der heute noch Aktenschränke im Archiv der Kunsthalle Hamburg füllt.

Die Vorstellungen zu einer derartigen Vernetzung durch die Berliner Secession, wie sie damals ansatzweise angewendet wurden, sind teils mit der Gründung des Deutschen Künstlerbundes überflüssig geworden, teils wurden diese von der Entwicklung der Kommunikationstechnik überholt.



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Auswärtige Künstler als Aussteller in der Berliner Secession


Bei der heterogenen Vielfalt der Entwicklungen in Deutschland setzte ein kulturträchtiges Gesamtbild voraus, aus allen Teilen Deutschlands die führenden Künstler zusammen zu bringen. Die Präsentation des Kunstschaffens in Deutschland sollte in gemeinsamen Kunstausstellungen erfolgen. Allerdings waren die großen Kunstausstellungen, wie sie in München und Berlin von den Künstlergenossenschaften (bzw. den Vereinen  in deren Nachfolge) ausgerichtet worden sind, hierfür nicht geeignet, weil bei den verwirrenden Massenveranstaltungen mit dominierender Mittelmäßigkeit das Wertvolle und die zukunftsbestimmenden Leitlinien der deutschen Kunst nicht sichtbar werden konnten.

Erst in den Kunstausstellungen der Sezessionen, die der Münchener Sezession, später vorrangig die der Berliner Secession, wurden die herausragenden Künstler aus Deutschlands Kunststätten nach strenger Selektion mit ausgewählten Exponaten zusammengeführt.  Im Vergleich zu den Massenausstellungen waren die Ausstellungen der Sezessionen kleine Ausstellungen, jedoch Ausstellungen von Werken derjenigen Künstler, deren Schaffen als Leitlinie der Entwicklung von wahren Künstlern und Kennern empfohlen werden konnte. Die Ausrichtung, die zunächst auf das regionale Kunstschaffen fokussiert war, berücksichtigte mehr und mehr die Integration in größere Zusammenhänge des deutschen und internationalen Kunstgeschehens. Auf solchem erhöhten Niveau konnten die Künstler  gegenseitig sich Ansporn geben und Impulse für die weitere Entwicklung auch selbst erfahren.

Wie fast alle anderen Regionen Deutschlands war insbesondere auch Süddeutschland mit Karlsruhe, München und Stuttgart in das Netzwerk  der deutschen Kunstlandschaft einbezogen.


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Erste Kunstausstellung der Berliner Secession 1899


Die Erste Kunstausstellung der Berliner Secession wurde am 19. Mai 1899  im  neuen Ausstellungsgebäude in Berlin, Kantstraße 12, eröffnet. Sie war ein glänzendes gesellschaftliches Ereignis. Liebermann hielt eine Ansprache, in der er die aktuelle Situation der Kunst in Deutschland und die Ziele der neu gegründeten Secession definierte. „ […] Bei der Auswahl der Werke, welche unsere Ausstellung schmücken, war nur das Talent, in welcher Richtung es sich auch offenbarte, ausschlaggebend. […] Für uns gibt es keine allein seligmachende Kunst, sondern als Kunstwerk erscheint uns jedes Werk – welcher Richtung es angehören möge -  […] in dem sich eine aufrichtige Empfindung verkörpert.    Nur die gewerbsmäßige Mache derer, die in der Kunst nur die milchende Kuh sehen, bleibt grundsätzlich ausgeschlossen. […] Im Vertrauen auf die siegreiche Kraft der Jugend und das wachsende Verständnis der Beschauer,  haben wir ein Unternehmen ins Leben gerufen, das einzig und allein der Kunst dienen will.“[1]

Beteiligt waren 130 Künstler mit insgesamt ca. 220 Gemälden. 46 der Aussteller kamen aus Berlin, 5 aus Worpswede, 57 aus München, 4 kamen aus Stuttgart / Karlsruhe, 6 aus Dresden / Weimar und 12 aus weiteren Orten. Auffallend war schon hier die vergleichsweise starke Beteiligung aus den süddeutschen Städten, vor allem aus München, auch Stuttgart und Karlsruhe. Im Katalog der Ersten Kunstausstellung 1899 sind u. a. folgende Künstler als Aussteller genannt:

Aus Berlin: Martin Brandenburg, Ludwig Dettmann, Philipp Franck, Oskar Frenzel, Dora Hitz, Ludwig v. Hoffmann, Ulrich Huebner, Carl Langhammer, Hans Olde, Walter Leistikow, Max Liebermann, Hans Looschen, Reinhard und Sabine Lepsius, Adolph Menzel, Georg Mosson, Carl Langhammer, Max Schlichting, Franz Skarbina, Max Uth.

Aus Worpswede: Hans am Ende, Fritz Mackensen, Otto Modersohn, Fritz Overbeck, Carl Vinnen.

Aus Dresden: Gotthardt Kuehl, Carl Bantzer, Max Stremel, Oskar Zwintscher.

Aus Frankfurt: Hans Thoma, Wilhelm Trübner.

Aus Karlsruhe und Stuttgart: Leopold Graf Kalckreuth, Otto Reiniger, Hans Richard Volkmann.

Aus München: Fritz Baer, Robert Breyer, Bernhardt Buttersack, Ludwig Dill, Lovis Corinth, Adolf Hölzel, Wilhelm Leibl, Emil Pottner, Franz v. Stuck, Charles Tooby, Fritz v. Uhde, Max Slevogt, Heinrich v. Zügel.

  

Max Liebermann hatte angekündigt, bei dieser Ausstellung  das Beste zeigen zu wollen, was derzeitig in deutschen Landen geschaffen wird. Es sollte eine rein deutsche Ausstellung werden. Eine Beteiligung ausländischer Künstler wurde aber schon damals für nachfolgende Ausstellungen ins Auge gefasst. 

Die Erste Kunstausstellung der Berliner Secession wurde im Ganzen als großer Erfolg gewertet. Über die Eröffnung berichtet Erich Hancke, der Verfasser der ersten umfassenden Liebermann Biographie[2], und schließt im Resumée mit folgenden Worten: „Ein großer Teil der Werke stammte aus älterer Zeit. Menzel, Leibl und Böcklin waren gewissermaßen als die Ahnen der Bewegung in Meisterwerken vergegenwärtigt. Sonst hielt sich das Vorgeführte auf dem bekannten Niveau der Berliner und Münchner Kunst, wobei die süddeutschen Gäste aber noch erheblich besser als ihre Wirte abschnitten.“

Dieser Schlussäußerung ist zu entnehmen, dass der Beitrag der süddeutschen Maler zur ersten Kunstausstellung der Berliner Secession sehr positiv eingeschätzt wurde. Der mehr pauschalen Beurteilung durch den Liebermann-Biographen Erich Hancke  entsprechen in der Tendenz auch die Rezensionen der Presse über die erste Kunstausstellung.

Als Beispiele hierfür seien hier – weil gerade zufällig verfügbar – Rezensionen der Berliner Presse zu Exponaten des Stuttgarter Malers Otto Reiniger zitiert. Reiniger hatte zwei Bilder nach Berlin geschickt, neben einer „Dämmerung“ einen „Fluss im Morgennebel“. Beide Gemälde wurden von der Jury angenommen. Letzteres wurde von der „Berliner Tägliche Rundschau“ lobend hervorgehoben:  „Zu den Bildern in dieser Ausstellung, die eine absolute Höhe bedeuten, gehört vor allem auch des Stuttgarters Otto Reiniger „Fluss im Morgennebel“, ein schlichtes, einfaches Werk, aber voll der größten Kunst, so- wohl in der Anschauung der Natur als auch in der malerischen Wiedergabe.“[3]

Und in der Zeitschrift „Die Hilfe“ war zu lesen: „… der Fluss im Morgennebel ist eine der besten Landschaften, die dieses Mal zu sehen sind, vielleicht die Beste …“.[4]

Festzuhalten ist, dass bei der Ersten Kunstausstellung der Berliner Secession Süddeutschland mit Werken von Künstlern aus München, Karlsruhe und Stuttgart qualitativ einen starken Eindruck hinterlassen hat.

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[1] Max Liebermann, Rede anlässlich der Eröffnung der Ersten Kunstausstellung der Berliner Secession im Ausstellungshaus Kantstraße 16, Berlin, am 20.05.1899. In: Erich Hancke 1914 (wie Anm. 1), S. 395.

[2] Erich Hancke, „Max Liebermann. Sein Leben und seine Werke“, Berlin 1914.

[3] Freihofer, Alfred, "Die deutsche Ausstellung der Berliner Secession." In: Berliner Tägliche Rundschau, 30. August 1899.

[4] Erich Schlaikjer, "Die Secession IV: Die Worpsweder – Reiniger – Zügel." In: Die Hilfe, 23. Juli 1899.

Künstler aus dem Ausland als Aussteller und Mitglied


Liebermann hatte bereits  anlässlich der ersten Kunstausstellung 1899 angekündigt, bei den nachfolgenden Ausstellungen auch ausländische Künstler mit einzubeziehen. Dazu nutzte er die Kontakte zu ausländischen Künstlern, die ihm Freunde, u. a. der Kunstsammler Carl Bernstein, vermittelt hatten.

Das Interesse, sich zu beteiligen, war überraschend groß. Bei der zweiten Ausstellung 1900  waren neben den Exponaten deutscher Künstler Werke u. a. von Maximilian Luce, Camille Pissarro, Jean-Francois Raffaelli, Auguste Renoir, Felix Valloton und Edouard Vuillard aus Frankreich, John Lavery und J. McNeil Whistler aus England, Ferdinand Hodler aus der Schweiz, Giovanni Segantini (Nachlass) aus Italien und Anders Zorn aus Schweden zu bewundern.

Die französischen Impressionisten waren bei der Ausstellung 1900 noch zurückhaltend geblieben. Nach der Mitgliederliste 1900 war noch keiner der vorstehend genannten Aussteller Mitglied der Berliner Secession, alle waren als Gast an der Ausstellung beteiligt.

Die erste Liste mit ausländischen Mitgliedern enthält der Katalog zur Secessions-Ausstellung 1901. Unter den darin aufgeführten 158 Mitgliedern befanden sich bereits 96 Außerordentliche Mitglieder, wovon 51 ausländischer Herkunft waren: u.a. Edgard Degas, Jean Louis Forain, Ferdinand Hodler, John Lavery,  Claude Monet, J.-F. Raffaelli, Auguste Rodin, John Singer Sargent, Fritz Thaulow, Jan Toorop, Felix Valloton, Anders Zorn und Ignacio Zuloaga.

Nachdem diese Ausstellung mit Beteiligung renommierter Künstler aus dem Ausland recht erfolgreich verlaufen, bei Besuchern und Veranstalter gut angekommen und auch aus dem Ausland positives Echo zu vernehmen war, wurde die internationale Beteiligung ab 1902 zum Normalfall. Hierauf bei der Ankündigung „internationaler“ Kunstausstellungen hinzuweisen, bedurfte es bei den folgenden Ausstellungen nicht.  

Bei den nachfolgenden Kunstausstellungen war zu beobachten, dass zunehmend mehr zur Weltelite zählende Meister sich beteiligt haben. Nicht alle zugleich, sondern jedes Jahr in neuer Zusammensetzung. In der Tabelle sind einige der bedeutendsten ausländischen Künstler aufgeführt, die im Zeitraum 1900 bis 1913 bei Ausstellungen der Berliner Ausstellungen vertreten waren.  Die Zahlen geben die Anzahl der Exponate an.[1] [2]

Außer den vorstehend Genannten waren herausragende Künstler aus dem United Kingdom, aus Holland, Belgien, Norwegen, Italien, Schweiz und Österreich wiederholt bei den Ausstellungen in Berlin present:

Aus dem United Kingdom: John Lavery, John Singer Sargent, J.M.Neill Whistler.

Aus Holland: Josel Israels, George H. Breitner, Jan Toorop.      Aus Belgien: Théo van Rysselberghe. 

Aus Schweden: Fritz Thaulow, Anders Zorn.                                Aus Norwegen: Eduard Munch.

Aus Österreich: Gustav Klimt.                                                         Aus der Schweiz: Ferdinand Hodler.

Aus Italien: Giovanni Segantini. 


Zu den genannten Künstlern, die sich an den Kunstaustellungen der Berliner Secession beteiligt haben bzw. Mitglied geworden sind, bedarf es hier keiner näheren Erklärung. Sie gehören alle unbestritten zur internationalen Elite und sind jedem Kunstfreund hinreichend bekannt.

Auch wenn die Exponate nicht alle in einer Ausstellung zugleich zu sehen waren, sondern sich auf 13 Ausstellungen verteilten, für die Kunsthauptstadt Berlin war jede dieser Ausstellungen ein Highlight im Jahresgeschehen, wie es bis dahin noch nie zu erleben war. Die starke Beteiligung der Welt-Klasse, insbesondere der französischen Impressionisten, hob das Niveau auf absolute Weltklasse und generierte ein internationales Flair, wie man es in dieser Konzentration wohl nur bei Ausstellungen in Paris hätte erleben können.

In der Tat zeigt ein Vergleich der 13 Ausstellungen der Berliner Secession (1901 bis 1913) mit den ersten 8 Ausstellungen der französischen Impressionisten (im Zeitraum 1874 bis 1886) in Paris, dass bezüglich des Ranges der beteiligten Künstler sowie auch der Anzahl der Exponate diese Ausstellungen sich auf vergleichbarem Niveau befanden.[3] [4]

Für einen Künstlerverein einmalig, gewannen die Ausstellungen der Berliner Secession durch die intensive Beteiligung fast aller damals zur Weltklasse zu rechnenden ausländischen Künstler an internationaler Bedeutung.

Auch das, was die deutschen Künstler dabei geboten haben, konnte sich durchaus sehen lassen. Doch den Glanz, der alles überstrahlte, brachten die Meisterwerke der französischen Impressionisten.


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[1] Die in der Tabelle gemachten Zahlenwerte basieren auf Angaben in den Ausstellungs-Katalogen zu den Kunstausstellungen der Berliner Secession 1900 bis 1913. Für 1905 liegt kein Katalog der Berliner Secession vor. In selbigem Jahr war die Berliner Secession in die Große Berliner Kunstausstellung einbezogen. Möglicherweise verfügte die Berliner Secession 1905 nicht über ein Ausstellungshaus, denn der Pachtvertrag über das Grundstück in der Kant-Straße war abgelaufen.

[2] Die bereits vor den Ausstellungen Verstorbenen Paul Cézanne, Edouard Manet, Vincent van Gogh waren mit Leihgaben aus dem Nachlass oder aus Sammlungen vertreten.

[3] Catalogue - Société Anonyme des Artistes, Peintres,… Première Exposition 1874,  35, Boulevard des Capucines 35.

[4]  J. Rewald: Geschichte des Impressionismus, Rascher Verlag 1957, S. 372 ff.

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Redaktion K. Nikolaus